Törnbericht Ijsselmeer Juni 2001

Törndaten:

Crew: Roman Scholler, Skipper
Dirk als Crew
Norbert, Klaus, Peter und ich (Charly) als SKS-Aspiranten
Schiffname Isegase
Schiffstyp Bavaria 37
Vercharterer Segelschule Andreas Kühn
Törndauer 7 Tage
25.05-01.06.2001
Seemeilen 180 sm

Hier mein Web-Fotoalbum mit schönen Bilder aller Törns

 

Freitag, 25.05.2001 Lemmer

Roman

Heute machen wir uns auf zu unserem 1. Törn auf einem richtigen Dickschiff. Wir, das sind erst mal nur Peter und ich. Nun soll endlich der vielen Theorie des letzten Jahres die Praxis folgen.
Es sollen Begriffe wie Lee und Luv, klar zur Wende, Ree und Rund Achtern mit "Fleisch" gefüllt werden, Peter und ich sind SKS-Aspiranten, die in der Segelschule Andreas Kühn beim Andreas die Ausbildung zum SBF See und zum Sportküstenschifferschein, kurz SKS, absolvieren. Die theoretischen Prüfungen sowohl zum SBF See als auch zum SKS haben wir bereits hinter uns gebracht. Auch die praktische Prüfung zum SBF See, einmal mit einem kleinen Motorkajütboot durch den Düsseldorfer Hafen quirlen, haben wir schon hinter uns. So fehlt uns nur noch die praktische Prüfung, für die wir diesen Törn gebucht haben.
Wir sehen dem Ende dieser Woche jedoch gelassen ins Auge, da wir schon vorher wussten, das am Ende kein Prüfer auf uns wartet. Dies ist eigentlich auch gut so, den das wir die notwendigen 300 sm für die Prüfung in nur einer Woche ersegeln können, ist sowieso illusorisch. Entweder Seemeilen oder Manöver üben ist die Entscheidung. Da keine Prüfung erfolgt, können wir uns in aller Ruhe dem Erlernen der in der Prüfung abverlangter Manöver widmen. Aber dazu später mehr.

Wie unerfahren wir sind, merken wir daran, das wir, endlich in Lemmer angekommen, beim nächsten Brückenwärter nach dem Schiff von Andreas fragen und zuerst einmal erfahren, das es hier 5 verschiedene Häfen gibt und der Name des Schiffes einem nicht wirklich weiterhilft.
Im Siriushafen finden wir nach einigem Durchfragen den Stützpunkt von Andreas, dem hier die Vercharterfirma Thinius gehört.
Andreas und damit, wie wir erfahren werden, unser Skipper Roman sind noch auf dem Weg. So treffen wir unser 1. Crewmitglied Dirk. Er scheint ein Profi zu sein, den er macht bei seinem Verein Jollenausbildung.
Hier kommt die erste Missstimmung auf, die uns auch auf dem Törn noch beschäftigen soll. Dirk hat den Törn als Nordsee- und Waddentörn gebucht, da er demnächst auch SKS- Aspiranten ausbilden will und daher noch Erfahrungen in diesem Seegebiet erlangen möchte. Er ist daher nicht gerade glücklich, an einem SKS-Ausbildungstörn teilzunehmen, da ihm klar ist, wenig Seemeilen, dafür viel Manöver-Training.
Als ich dann auch noch die 2 nächsten Crew-Mitglieder Norbert und Klaus mit ihren Prüfungsumschlägen herumwedeln sehe, ahne ich weiteres Ungemach. Und so ist es auch: Andreas hat den beiden "vergessen" zu sagen, das am Freitag keine Prüfung stattfindet. Selbst wir hatten dies ja nur durch ein Telefonat mit dem DSV eine Woche vor Törnbeginn heraus bekommen. Die beiden stürmen auch sofort vom Boot zum Andreas und kommen nach einiger Zeit wüst schimpfend zurück.
Aber berichten wir von dem positiven Seiten. Roman, unserer Skipper versteht sein Fach und bringt in der Woche eine Engelsgeduld auf um uns wieder und wieder alle Manöver zu erklären. Der Prüfungstag zeigt dann auch den Erfolg, aber dazu später mehr,

Der übliche Trott setzt ein, für uns zwar neu und aufregend, für Roman jedoch sicherlich langweilige Routine.
Nach dem Verstauen aller Taschen verziehen wir uns Richtung Stadt, um uns bei einem Pizzaessen erst mal ein wenig zu beschnuppern. Mit diesen 5 Leuten werde ich die nächste Woche auf engstem Raum zusammen leben und man muss darüber hinaus noch ein funktionierendes Team für die Prüfung erschaffen. Andreas ist beim Abendessen auch dabei, er erlaubt sich den Luxus. eine Nigelnagelneue 40' Fuß Bavaria ein wenig mit seiner Freundin einzusegeln.

Samstag, 26.05.2001 Hindeloopen

Isegase in Lemmer

Am nächsten Morgen erfolgt eine sehr gründliche Einweisung in die Technik des Schiffes. Von der Bilge bis zum Masttop wird alles erklärt und gerade von uns Neulingen gierig aufgesogen. So vergeht der Vormittag recht schnell und dann kommt der schon lang ersehnte Moment des Ablegens. Die Crew ist eingewiesen und etwas nervös schallen die ersten Kommandos über Deck: Leinen klar? Klar! Vor- und Achterleinen los! Sind los! Und schon bewegen wir uns aus der Box, Der Siriushafen in Lemmer ist jedoch ein enger Hafen und wenn man das Schiff noch nicht gut kennt, ist man schneller an der anderen Seite der Boxengasse als man denkt. Ups, das Schiff bewegt sich ja auch ohne Gas; selbst einfach auf der Stelle stehen bleiben will es nicht. Es fängt sofort an dem Winddruck nachzugeben und bewegt sich Richtung Lee. Lee? Wo war das noch mal? Ah, jetzt sieht man es! Irgendwie gelingt es uns aber doch, ohne Schäden den Hafen zu verlassen und bald tuckern wir in dem Fahrwasser der Lemmer Bucht Richtung offenes Wasser. Bald schon erschallt das Kommando Segel setzten und wieder ist ein lang ersehnter Moment gekommen. Der Motor verstummt und nur von Windkraft gezogen bewegen wir uns vorwärts. Jetzt endlich können wir die erlernte Theorie praktisch erleben.

Schnell ist der erste Segeltag vorbei und unser erstes Anlegemanöver steht an. Auch jetzt bespricht der Skipper das kommende Manöver gründlich mit dem Rudergänger und der Crew. Alle Aufgaben werden verteilt und Alternativen besprochen, sollte das Manöver nicht so ablaufen wie gewohnt. Dann ertönt das Kommando "Alles klar zum Anlegen" auf dem Schiff. Vorsichtig wird das Schiff an den Kai manövriert. Alles klappt bestens und wir bekommen von Hafenmeister eine Box zugewiesen. Wir legen also wieder ab und verholen das Schiff in die Box. Danach klaren wir das Schiff auf und erkunden die Stadt.
Es ist etwas ganz anderes, eine Stadt vom Hafen aus kommend zu erkunden. Hier sieht man immer die schönsten Stellen zuerst.

Ehe wir uns versehen liegen wir schon todmüde in den Kojen. Vorher verlangt jedoch unser Skipper die Route für Morgen. Für Ungeübte wie uns doch Arbeit bis wir uns soweit mit der Karte vertraut gemacht haben, das wir einen Kurs sauber planen können
Noch ist die Navigation recht einfach, aber morgen verlassen wir das Ijsselmeer und ab dann sind wir in einem Tidengewässer, was die Navigation nicht vereinfacht.

Sonntag, 27.05.2001 Harlingen

Norbert unser Alphamänchen

Unser Alphamännchen Norbert steht gaaanz früh auf und absolviert sein morgendliches Lauftraining. Mir soll's recht sein, so sind zum Frühstück immer frische Brötchen da.

Heute wird es aufregend. Wir verlassen das Ijsselmeer und wollen nach Harlingen und von da aus weiter nach Oudeschild auf Texel. Nach der Schleuse (wieder ein neues und aufregendes Manöver) müssen wir noch durch die Drehbrücke und dann empfängt uns das Waddenmeer. Jetzt kommt Arbeit auf den Navigator zu. Jede passierte Tonne wird auf der Karte abgehakt. Wir steuern nicht länger nach einem MgK-Kurs, sondern hangeln uns an den Bojen entlang. Erst mal mache ich mir das Leben als Rudergänger jedoch leicht und folge den Schiffen, die vor mir die Schleuse verlassen haben.
Mit genug Wasser unter'm Kiel erreichen wir Harlingen. Im Vorhafen haben wir genug Platz, einige Manöver unter Motor zu üben, bevor wir längsseits am Kai festmachen. Harlingen ist ein Gezeitenhafen und dies sollte man bei der Länge der Festmacherleinen berücksichtigen. Auch beim wieder An-Bord-Gehen sollte man dies bedenken. So erzählt mir ein Co-Skipper auf einem späteren Törn seine kurze Geschichte über ein Anlegen bei Hochwasser. Nach einem feucht-fröhlichen Kneipenbummel bemerkt er beim Schritt aufs Boot eine Sekunde zu spät, das er die Want knapp oberhalb der 1. Saling greift, Das Auftreffen auf das ja inzwischen mehrere Meter tiefer liegende Deck rummst furchtbar laut, hat aber Gottseidank keine Verletzungen zur Folge. Reichlich ernüchtert krabbelte er daraufhin in seine Koje.

Montag, 28.05.2001 Enkuizen

Am nächsten Morgen empfängt uns ein diesiges Wetter. Roman ist es zu heikel mit einer so unerfahrenen Crew Richtung Texel zu schippern. Außerdem soll der Wind auffrischen. So wenden wir unseren Bug wieder Richtung Kornwerdersand, Das dies die richtige Entscheidung war, hören wir später im UkW-Funk als bei gut 7 Bft. draußen im Waddenmeer eine Yacht in Seenot gerät und Mayday funken muss. Wir kacheln mit immerhin noch 6 Windstärken übers Ijsselmeer und können stolz berichten, das auch bei diesem Wind unsere MOB-Manöver inzwischen tadellos funktionieren.

Dienstag, 29.05.2001 Medemblik

Heute geht es nur einen kurzen Schlag von Enkhuizen nach Medemblik, Dort fangen wir vor der Einfahrt zum Hafen mit unseren Manöver-Übungen an. Auch dieser Tag vergeht schnell und ehe wir uns versehen liegen wir schon todmüde in den Kojen.

Mittwoch, 30.05.2001 Oudeschild / Texel

Einfahrt in die Schleuse

Heute versuchen wir es erneut, bis Texel zu kommen. Wir verlassen das Ijsselmeer auf der anderen Seite des Deiches bei Den Oever. Diesmal ist das Wetter uns hold und so können wir am Abend im neuen Hafen von Oudeschild festmachen. Nach dem Festmachen wird der Notstand ausgerufen, unsere Biervorräte schrumpfen gegen Null. So leihen wir uns Fahrräder und radeln flink mit einem leeren, klappernden Kasten Bier los. Leider in die falsche Richtung. Als wir unseren Irrtum bemerken und korrigieren wird die Zeit schon knapp.
Nie werden wir jedoch das grinsende Gesicht der jungen Verkäuferin vergessen, die uns nach einem wahren Sprint zum Supermarkt 2 Sek. bevor wir den Laden erreichen sozusagen die Tür vor der Nase zuschlägt. Selbst Roman charmantestes Lächeln und seine im perfekten Holländisch vorgetragene Bitte mit unseren armen durstigen Seelen mitleid zu haben, entlocken der jungen Dame nur ein paar spöttische Bemerkungen, die von ihren Kollegen mit lautem Lachen quittiert werden.
Während des ganzen Abends grübeln wir darüber nach, wie wir diese Schmach rächen können. Die wildesten und wüstesten Ideen bringen lautstarken Applaus. Selbst unser Törnprogramm sollte deswegen geändert werden. Verwirklicht haben wir natürlich keins dieser Horrorszenarien, aber darüber zu reden und nachzusinnen entschädigte uns ein wenig.

Donnerstag, 31.05.2001 Lemmer

Heute kehren wir mit einem langen Schlag nach Lemmer zurück. Unsere Tidentaktik beschert uns auf dem ersten Stück Richtung Den Oever eine sensationelle Fahrt von fast 9 kn über Grund.
Das Schleusen klappt inzwischen routiniert und danach packt Dirk direkt das Regatta-Fieber als neben uns eine Crew die Segel hisst und auf Parallel-Kurs geht. So werden uns noch die rudimentären Begriffe des Trimms beigebracht, obwohl ich gestehen muss, kapiert habe ich davon nix. Aber trotzdem wird fleißig an allen möglichen Schoten gezupft.

Donnerstag, 31.05.2001 Lemmer

Den heutigen Tag benutzen wir nur noch, um im Vorhafen An- und Ablegen zu üben. Wir haben ja keine Prüfung und so verbringen wir den Morgen mit Manövertraining.

Resümee

Na, dann Prost!

Roman hat uns viel beigebracht und ein gutes Team geformt. Ich bin sicher, wenn an diesem Freitag die Prüfung gewesen wäre, wir hätten alle bestanden. (Die Crew des nächsten SKS-Törns mit Roman als Skipper, zu denen auch Peter, Norbert und ich wieder gehörten, besteht die dann erfolgte Prüfung) Natürlich strapaziert das Wissen um die fehlende Prüfung auch die Nerven viel weniger.
Der Termin für die Prüfung steht schon fest und ich werde die Woche davor an dem Törn teilnehmen, um mein Können zu vervollständigen und die 300 sm zu erreichen. Andreas honoriert den Ärger der fehlenden Prüfung auch mit einem satten Nachlass auf dem nächsten Törn. So werde ich in zwei Wochen zu meinem 2. SKS-Törn antreten. Das Schiff von Andreas ist Tipptop und technisch komplett ausgestattet.